Erinnerungen und Dank an Anke Dieckmann

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Anke 2019 bAnke Dieckmann hat nach ihrem Abitur (1960) an der Universität  Hamburg Pädagogik mit dem Schwerpunkt  Mathematik studiert.

Ihre Referendariatszeit absolvierte sie in der Buchholzer Heideschule (damals: Grund und Hauptschule) und begann hier nach dem Erlangen des 2. Lehrerexamens ihre Tätigkeit als Lehrerin in der Grundschule.

 

Von Beginn an hat sie sich intensiv und kreativ für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Lernbedarf eingesetzt und für ihren Verbleib an der Grundschule gekämpft. Es wurden damals noch sehr viele Kinder zur sogenannten „Sonderschule“ überwiesen und das Wort „Integration“ war in Pädagogenkreisen noch ein absolutes Reizwort (der damalige Vorsitzende des Verbandes deutscher Sonderschulen sprach von der „italienischen Seuche“).

Für Anke Dieckmann war es folgerichtig, dass Sie sich 1971 an die Sonderschule für Lernbehinderte (später: „Birkenschule“) in Buchholz versetzen ließ.

Hier wurde ihr deutlich, dass es insbesondere auch Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung waren, die bisher die größte Ausgrenzung bzw. überhaupt keine schulische Förderung erfahren hatten.

Als Kolleg*innen für den Aufbau der Schule für Geistigbehinderte im Landkreis Harburg gesucht wurden, hat Anke Dieckmann sich hier sofort engagiert. Sie war zu diesem Zeitpunkt die einzige (!) Förderschullehrerin im Landkreis Harburg, die die Lehrbefähigung in diesem Förderschwerpunkt im Aufbaustudium in Hamburg (Aufbaustudium 1975-1977) erworben hatte und auch bereits Erfahrungen mit einer Klasse für geistig behinderte Kinder an der Sonderschule für Lernbehinderte sammeln konnte.

Im März 1978 ist Anke Dieckmann mit einem kleinen Team von zwei weiteren Lehrkräften an den Start gegangen. Bereits im April 1978 kamen 3 Klassen aus Winsen in die noch nicht ganz fertig eingerichtete „Schule für Geistigbehinderte“ hinzu, die zunächst an der Wolfgang-Borchert-Schule angegliedert waren.

In Beitrag zur Festschrift zum 40-jährigem Bestehen der Schule erinnert Anke Dieckmann an diese Anfänge der Schule:

Dieses Team von 6 Lehrkräften richtete bis zum Schuljahresbeginn 1978 in einem großen Kraftakt die Schule ein (es gab nur Möbel, alles andere mussten wir bis zum letzten Bleistift selbst kaufen), fand persönlich und inhaltlich schnell zusammen und war sich konzeptionell einig: Die neue Schule sollte eine Schule für alle sein, ohne Grenze nach unten, was damals nicht üblich war. Die schwerstbehinderten Kinder sollten altersgemäß aufgenommen und in die Klassen integriert werden. Wir waren uns auch einig, dass diese Schule als Ganztagsschule geführt werden sollte und dass die Klassen doppelt besetzt sein müssten. Unsere Vorstellungen führten zu großen Irritationen beim Schulträger und vor allem bei der Bezirksregierung Lüneburg. Man war wohl doch von einer kleineren Variante ausgegangen (Halbtagsschule, „schulfähige“ Schüler, eventuell kombinierter Busdienst mit anderen Schulen). 

Trotz aller Irritationen und Probleme:

Zum Schuljahresbeginn 1978/79 starteten wir unsere Schule als Ganztagsschule (mit eigenem Busdienst und Mittagsverpflegung).

In diesem Statement werden zusammenfassend wichtige grundsätzliche pädagogische Aspekte und Grundpfeiler deutlich, die zu Beginn dieser Schulentwicklung nicht selbstverständlich waren und bis heute Eckpunkte unserer pädagogischen Arbeit sind.

Anke Dieckmanns zunächst kommissarische Schulleitung wurde 1979 offiziell. Sie leitete die Schule in ihrer einzigartigen, unvergleichlichen Weise (s. u.) 24 Jahre lang bis zum Sommer 2002.

Anke Dieckmann hat sich nach der Eröffnung für den kontinuierlichen Ausbau der Schule sowie für die Förderung und Unterrichtsentwicklung für die Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf im Schwerpunkt geistige Entwicklung eingesetzt.

Die Schule wurde größer und mehrere Baumaßnahmen veränderten unsere Schule. Ein Therapiebereich konnte 1985 unter maßgeblicher Mitgestaltung von Anke Dieckmann realisiert werden, ebenso wie der Anbau für die Abschlussstufe 1995.

Anke Dieckmann lebte den Grundgedanken, stets die Schule zu öffnen; mit den Schülerinnen und Schülern nicht im Schonraum zurückgezogen zu lernen, sondern immer auch im gesellschaftlichen Leben präsent zu sein.

Kooperationen mit vielen Partnern, das war einer ihrer Leitgedanken. Dies führte zu vielen schulischen Kontakten mit außerschulischen Institutionen und mit anderen Schulen.

Auch der Aufbau des Kooperationsklassenmodells geht auf die Initiative von Anke Dieckmann zurück. Zunächst wurden 1998 erste Kooperationsschritte im Unterricht mit der Heideschule vereinbart und ausprobiert. Inzwischen ist das Modell fester und wichtiger Bestandteil des Schulkonzepts. Alle Schülerinnen und Schüler der heutigen „Schule An Boerns Soll“ besuchen bis einschließlich der Klassenstufe 8 ausschließlich Kooperationsklassen. Hier konnte die Idee konsequent weiterentwickelt werden.

Von Beginn an hat Anke Dieckmann den Geist in unserer Schule gelebt, dass die Schule nicht nur Lernort ist, sondern auch Lebensort. Dies war und ist besonders erkennbar in den vielen Projekten, Klassenreisen -auch ins benachbarte Ausland-, die unvergessenen dreiwöchigen Kuraufenthalte mit ganzen Klassen in Kirchberg/Jagst (Baden-Württemberg), Kanuexkursionen, Kunstreisen, erfolgreiche Teilnahme an verschiedenen Wettbewerben mit Präsentation durch die Schülerinnen und Schüler und die intensive Nutzung außerschulischer Lernorte.

Es ging ihr dabei immer um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und immer ist Anke Dieckmann homogenen Lerngruppen waren mit der Überzeugung von Anke Dieckmann nicht vereinbar und besonders mit diesem zentralen Gedanken hat sie eine zutiefst menschliche Schule gestaltet.

All dies waren Fragen, die auch 1984 noch sehr aktuell waren, als ich als neuer Kollege an die Förderschule in Buchholz kommen durfte. In Hamburger Schulen für geistig Behinderte hatte ich, Martin Ihlius, viele Strukturen kennengelernt, die in diesen zentralen Fragen noch anders „unterwegs“ waren: es gab hier z.B. die Bildung von Schwerstmehrfachbehindertenklassen.  Die Öffnung von den damals noch sogenannten Sonderschulen hinein in die Gesellschaft sowie die Präsenz im öffentlichen Leben war nicht gewollt und kaum ausgebildet.

Auch im Landkreis Harburg war die Entwicklung der Schule für Geistigbehinderte in Anke Dieckmanns Sinn nicht selbstverständlich oder gar vorgegeben. Es bedurfte eines hartnäckigen Kampfes von Anke Dieckmann - gemeinsam mit ihrem Ursprungskollegium - sowie eines konsequenten Eintretens für ihre pädagogischen und menschlichen Grundüberzeugungen.

Eine Entwicklung unserer Schule, wie sie sich heute im Landkreis Harburg darstellt, ist nicht selbstverständlich, sondern steht in direkter Verbindung zum Handeln und Wirken von Anke Dieckmann.

Dies bestimmt das Andenken an Anke Dieckmann und ist ihr ganz persönlicher Verdienst für unsere Schule und deren Auswirkungen auf die Schullandschaft im Landkreis Harburg bis heute.

Dafür gilt ihr unsere Anerkennung und unser Dank.

Kollegium der Schule An Boerns Soll