Prävention sexualisierte Gewalt
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Von der Abschlussstufenkonferenz am 20.4.2010 als Beschlussvorlage für die Gesamtkonferenz verabschiedet
Von der Gesamtkonferenz am 31.8.2010 verabschiedet.
Warum brauchen wir ein sexualpädagogisches Konzept?
- Die Erstellung eines sexualpädagogischen Konzeptes ist eine präventive Maßnahme, um sexuelle Übergriffe möglichst zu verhindern bzw. einen fachlichen Umgang damit zu gewährleisten.
- Ein sexualpädagogisches Konzept führt zur Entwicklung eines bewussteren, einheitlicheren Umgangs mit der Sexualität der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und bestimmt verbindliche Schwerpunkte für die Sexualerziehung.
- Ein sexualpädagogisches Konzept ermöglicht mehr Sicherheit im Umgang mit sexuellen Verhaltensweisen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
- Ein Sexualpädagogisches Konzept verhindert unangemessene Reaktionen und Unsicherheiten.
Was ist sexuelle Gewalt?
Als sexuelle bzw. sexualisierte Gewalt bezeichnen wir all jene Situationen, in denen Sexualität als Mittel eingesetzt wird, um die eigene Dominanz herzustellen und/oder andere zu demütigen, herabzusetzen oder zu verletzen. Dazu gehört jedes Verhalten, das in die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen Menschen eingreift und sich über sie hinwegsetzt. Eine sexuelle Handlung unter Kindern ist immer dann als sexueller Übergriff zu bezeichnen, wenn sie unter Ausnutzung eines Machtverhältnisses erzwungen wird. Der Begriff des sexuellen Missbrauchs sollte nur bei sexuellen Handlungen, die von Erwachsenen mit oder an Kindern verübt werden, benutzt werden. Sexueller Missbrauch setzt ein Maß an Eigenverantwortlichkeit des Täters voraus, wie es einem Kind nicht unterstellt werden kann (Altergrenze für Strafmündigkeit: 14 Jahre). Insofern reden wir auch nicht von Opfern und Tätern, sondern von betroffenen und übergriffigen Kindern und Jugendlichen. In Vorbereitung auf eine Unterrichtseinheit zum Thema sexualisierte Gewalt sollte im Team besprochen werden, was dies für jedes Teammitglied bedeutet, welche Wortwahl man gegenüber den Schülerinnen und Schülern trifft. Dazu gibt es einen Fragebogen, den die Kollegen gemeinsam besprechen sollten. Der Fragebogen befindet sich als Kopiervorlage im Ordner „Prävention sexualisierter Gewalt“.
Welches sind die Grundsätze präventiver Erziehung?
Auch hierzu gibt es ein Arbeitsblatt im Ordner.
Welche Unterrichtsthemen zur Prävention sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen eignen sich für die Sekundarstufe II ?
Siehe Ordner.
Krisenmanagement bei sexueller Gewalt
E | Erkennen | von sexueller Gewalt. Jedes Anzeichen ernst nehmen. Nicht bagatellisieren. | |
R | Ruhe | bewahren. Nicht dramatisieren. Über folgen des Handelns reflektieren. Sich beraten lassen. | |
N | Nachfragen | Was ist genau passiert? Wer ist beteiligt? Sich bei externen Profis, evtl. auch bei der Polizei informieren. | |
S | Sicherheit | herstellen. Opferschutz hat Vorrang. Opfer- und Täterverhalten klar und öffentlich trennen. Deutliche Stellungnahme für das Opfer. | |
T | Täter | stoppen. Gewalt benennen. Vorgehen offen erläutern, ohne zu diskutieren. Grenzsetzung. |
Eine fachliche Intervention bei sexuellen Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen wirkt auch präventiv gegen sexuellen Missbrauch durch Erwachsene. Es wird verhindert, dass Verhaltensmuster entstehen („Täterkarriere“), vorhandene Muster werden durchbrochen, vor allem aber wird ein Zeichen gesetzt, dass übergriffiges Verhalten nicht toleriert wird. Dies ist auch als Chance auf eine frühzeitige Hilfe für den „Täter“ zu sehen. Erlangt man Kenntnis von sexuellen Übergriffen – entweder durch eigene Beobachtung oder durch nachträgliche Information vom betroffenen Kind/Jugendlichen selbst, von anderen Kindern/Jugendlichen oder von Eltern – sollte man weder bagatellisieren noch dramatisieren. Zuerst einmal geht es darum zu beurteilen, ob Unfreiwilligkeit beim betroffenen Kind/Jugendlichen vorlag und ob Machtunterschiede bestehen. Hierfür sind direkte Gespräche mit dem betroffenen und dem übergriffigen Kind/Jugendlichen die geeignete Methode. Man muss nicht sofort eine differenzierte Einschätzung und alle notwendigen Entscheidungen parat haben. Der Regelverstoß sollte aber konkret benannt, das geplante weitere Vorgehen angekündigt werden.
Umgang mit dem betroffenen Kind/Jugendlichen
Das betroffene Kind/der betroffene Jugendliche hat immer Vorrang und braucht Aufmerksamkeit und Zuwendung. Das erste Gespräch sollte in einer ruhigen Atmosphäre stattfinden. Hier soll dem Kind/Jugendlichen Raum für seine Gefühle gegeben werden, ohne dabei das Geschehene zu dramatisieren. Die ins Vertrauen gezogene Person sagt dem Kind/Jugendlichen, dass sie froh sei, davon erfahren zu haben und verbalisiert die Ängste des Kindes/Jugendlichen. Es darf nicht darum gehen, Verständnis für das übergriffige Kind/ den übergriffigen Jugendlichen einzufordern. Der Übergriff sollte stets als Unrecht bewertet werden. Die absolute Parteilichkeit für das betroffene Kind/ den betroffenen Jugendlichen bezieht sich allerdings nur auf diese konkrete Situation. Man stärkt das betroffene Kind/ den betroffenen Jugendlichen, indem man es/ihn lobt dafür, sich Hilfe geholt zu haben, sich gewehrt zu haben…Das betroffene Kind/ Der betroffene Jugendliche erhält die deutliche Botschaft, dass es/er in Zukunft vor übergriffigem Verhalten geschützt ist und dass das übergriffige Kind/ der übergriffige Jugendliche nicht mächtiger ist als es selbst.
Umgang mit dem übergriffigen Kind/ Jugendlichen
Maßgeblich sind eine sofortige Beendigung des Übergriffs und eine klare Grenzsetzung. Für das erste Gespräch sollte man eine ruhige Situation aufsuchen. Der Anlass des Gesprächs sollte konkret benannt und das Unterlassen dieses Verhaltens eingefordert werden. Das übergriffige Kind/Der übergriffige Jugendliche soll spüren, dass man sein Verhalten eindeutig ablehnt und Partei für das betroffene Kind/den betroffenen Jugendlichen ergreift. Die Ablehnung sollte sich allerdings nur auf diese konkrete Situation beziehen. Dem übergriffigen Kind/Jugendlichen sollte der Unterschied zwischen Petzen und Hilfe holen klar gemacht werden. Am Ende des Gesprächs werden dem übergriffigen Kind/Jugendlichen die Maßnahmen mitgeteilt, die ergriffen werden.
Mögliche Maßnahmen
Ziel der Maßnahmen sollte es sein, das übergriffige Kind/den übergriffigen Jugendlichen durch Einsicht von seinem Verhalten abzubringen. Strafen zielen dagegen auf Abschreckung und sollten nur letztes Mittel sein, wenn die durchgeführten Maßnahmen keine ausreichende Wirkung zeigen. Sie bewirken nur das Erreichen des Teilziels, nämlich das Unterlassen sexueller Übergriffe. Grundsatz muss sein, das übergriffige – nicht das betroffene Kind – einzuschränken. Einschränkende Maßnahmen sollten zeitlich begrenzt sein und dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes/Jugendlichen angepasst sein. Nur so wird dem übergriffigen Kind/Jugendlichen vermittelt, dass es eine Chance bekommt sich anders zu verhalten und dass man ihm das auch zutraut. Das Ende der Maßnahme wird dem Kind/Jugendlichen mitgeteilt. Es/Er bekommt Anerkennung, wenn es/er sich entsprechend der Maßnahme verhalten hat. Über die zu treffenden Maßnahmen entscheidet der Pädagoge – nie das betroffene Kind/der betroffene Jugendliche. Die getroffenen Maßnahmen müssen konsequent umgesetzt und von allen Kollegen getragen werden. Dem übergriffigen Kind/Jugendlichen wird gezeigt, dass sein Verhalten, aber nicht seine Person abgelehnt wird. die Maßnahme muss erkennen lassen, dass sie sich auf die Übergriffssituation bezieht und soll zum Ausdruck bringen, dass grenzverletztendes Verhalten sanktioniert wird.
- Ernstes Gespräch, das den Übergriff verdeutlicht und die Folgen klar macht. (evtl. auch mit der Schulleitung)
- Sich über einen festgelegten Zeitraum vom betroffenen Kind/Jugendlichen fernhalten.
- Verbieten, den Ort aufzusuchen, wo der Übergriff stattgefunden hat.
- Ständig in der Nähe eines Erwachsenen bleiben.
- „Denkpause“ in einem separaten Raum.
- Nach Schulschluss länger bleiben, seine Motivation überdenken, über Möglichkeiten der Wiedergutmachung nachdenken.
- Die Pause allein im Klassenzimmer, im Sekretariat verbringen oder neben der Hofaufsicht bleiben.
- Verbot, an bestimmten Aktivitäten teilzunehmen.
- Öffentliche Entschuldigung.
- Zu Hilfsmaßnahmen verpflichten, z.B. obligatorische Gespräche in einer Beratungsstelle, Aufklärungsgespräch bei der Polizei
- Möglichkeiten einer Strafanzeige klären
- evtl. stationäre, spezialisierte therapeutische Unterbringung
- Schulausschluss für ein oder mehrere Tage
- Schulverweis
- …
Umgang mit der Klasse
Um Gerücht zu vermeiden, sollte die Klasse über den Vorfall unterrichtet werden. Hier geht es nicht um Details; es muss darauf geachtet werden, dass niemand achtlos oder kränkend mit diesem Wissen umgeht. Beschlossene Maßnahmen werden mitgeteilt und erklärt. Auch hier sollte man thematisieren, dass Hilfe holen kein Petzen ist. Auch der Unterschied zwischen „guten“ und „schlechten Geheimnissen“ sollte besprochen werden.
Kommunikation und Kooperation der Erwachsenen
Kollegen und Kolleginnen, die von den Maßnahmen direkt oder indirekt betroffen sind (Unterricht, Pausenaufsicht…), werden informiert. In einem Erfahrungsaustausch gelingt es vielleicht, angemessenere und hilfreichere Maßnahmen zu überlegen. Die Schulleitung sollte über übergriffiges Verhalten informiert werden. Die Eltern sowohl des betroffenen als auch des übergriffigen Kindes/Jugendlichen werden benachrichtigt. Sie können bei der Verarbeitung der Folgen helfen und Maßnahmen unterstützen. Die Eltern des betroffenen Kindes/Jugendlichen sollten in ihrer Aufregung, mit ihren Ängsten und Sorgen ernst genommen werden. Ihnen ist deutlich zu machen, dass ihr Kind vor weiteren Übergriffen geschützt wird. sie werden angeleitet, ihr Kind bei Grenzsetzungen zu unterstützen und evtl. an Beratungsstellen weitergeleitet. Eltern von übergriffigen Kindern/Jugendlichen fühlen sich meist angegriffen und bagatellisieren die Vorfälle. Vorwürfe sollten vermieden werden, aber die Pädagogen sollten bei ihrer konsequenten Einschätzung und Haltung bleiben. Den Eltern muss die Wichtigkeit eines übereinstimmenden Erziehungsverhaltens klar gemacht werden. Die getroffenen Maßnahmen werden erläutert. Hilfreich sind die Vereinbarung von Elterngesprächen in regelmäßigen Abständen und die evtl. Vermittlung an spezialisierte Beratungsstellen. (Besteht der Verdacht des sexuellen Missbrauchs, sollten die Eltern nicht einbezogen werden, da hier Gefahr für das Kind besteht. Hier ist das aufsuchen einer Beratungsstelle angezeigt, um den Verdacht abzuklären und evtl. intervenieren zu können.) Alle Beobachtungen, Informationen, Maßnahmen sollten dokumentiert werden:
- Was genau ist passiert?
- Wer ist beteiligt?
- Welche Maßnahmen finden statt?
- Wer wird benachrichtigt?
- Welche Vereinbarungen werden getroffen?